Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze
Epidemiologische Studien belegten eindeutig einen Zusammenhang zwischen Schimmelpilzexpositionen und Atemwegsbeschwerden. Es ist aber nicht möglich anzugeben, ab welchen Konzentrationen von Schimmelpilzen in Innenräumen mit welchen Erkrankungshäufigkeiten zu rechnen ist. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind abhängig von der Anzahl der Sporen, der sporenproduzierenden Schimmelpilzart und der individuellen Disposition des Menschen sowie der Häufigkeit der Exposition. Daher kann aus gemessenen Schimmelpilzkonzentrationen nicht unmittelbar auf gesundheitliche Wirkungen geschlossen werden. Es gibt zur Zeit in Deutschland noch keine verbindlichen Bewertungskriterien für eine Schimmelpilzbelastung in Innenräumen. Wichtig ist zu beachten, dass allergische und reizende bzw. toxische Wirkungen sowohl von lebenden als auch von abgestorbenen Schimmelpilzen ausgehen können, während zur Auslösung von Infektionen nur lebende Schimmelpilzstrukturen befähigt sind. Schimmelpilze sind in der Lage
- allergene Wirkungen (Allergien)
- reizende Wirkungen
- infektiöse Wirkungen (Mykosen)
- Geruchsbelästigungen (MVOC)
- toxische Wirkungen (Mykotoxine)
auszulösen.
Typische Syptome
Die häufigsten Symptome und körperlichen Reaktionen bei Schimmelpilzbelastungen sind unspezifisch. U.a. sind zu nennen: Hals- und Nasenreizungen, Atemnot, Husten, Asthma, Kopfweh, Reizerscheinungen der Augen, Reizungen der Haut (Neurodermitis), erhöhte Infektanfälligkeit, chronischer Erschöpfungszustand, Konzentrationsstörungen, Muskelschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Allergien.
Allergene Wirkungen
Grundsätzlich sind alle Schimmelpilze geeignet, Allergien hervorzurufen. Schimmelpilz-haltiger Staub ist in der TRGS 907 (Technische Regel für Gefahrstoffe) als allergen eingestuft. Die Schimmelpilze Penicillium marneffei und Aspergillus fumigatus sind in der TRBA 460 (Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe) als besonders allergen eingestuft. Auch nach Desinfektionsmaßnahmen können allergene Bestandteile von Schimmelpilzen noch nachgewiesen werden. Allergene sind nicht nur an den Schimmelpilz oder seine Sporen gebunden, sondern werden auch vom Schimmelpilz an den umgebenden Staub abgegeben. Die Sporen der Schimmelpilze gehören zu den wichtigsten Innenraumallergenen. Sie verbreiten sich im Innenraum und binden sich an Feinstäube, die als Schwebstaub in der Innenraumluft vorhanden sind. So werden sie von den sich dort aufhaltenden Menschen eingeatmet und gelangen über die Atemwege in den menschlichen Organismus. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Sporen sind abhängig von der Anzahl der Sporen, der sporenproduzierenden Schimmelpilzart und der individuellen Disposition des Menschen. Allergien als übersteigerte Reaktion des Abwehrsystems auf bestimmte Allergene werden in vielen Fällen durch fremde Eiweißstrukturen, wie sie auch Schimmelpilzsporen darstellen, hervorgerufen. Es gibt vier Typen der durch Schimmelpilze hervorgerufenen allergischen Reaktion. Davon ist Typ I am wichtigsten,aber auch Typ III und Typ IV sind von Bedeutung.
Medizinisch meist leicht erkennbar sind die sogenannten Typ I-Allergien vom Soforttyp, bei denen die allergieauslösende Substanz innerhalb weniger Sekunden (Insektenstich) oder Minuten (Hausstaub, Schimmel) oder auch einer halben Stunde (Nahrungsmittel) zu Beschwerden führt. Symptome dieser "klassischen", leicht erkennbaren Allergie sind Hautrötung und Hautjucken, Quaddelbildung, Bindehautentzündung, Niesen und Naselaufen sowie Asthma. Bereits der einmalige Kontakt mit dem Allergen kann die allergische Reaktion auslösen. Der medizinische Nachweis erfolgt meist durch den EAST-Test (enzyme-allergo-sorbent-test).
Die sogenannte Typ III-Allergie wird durch ein Übermaß von im Blut zirkulierenden Immunkomplexen ausgelöst, die von einer Abwehrreaktion übriggeblieben sind und die Organe schädigen können. Diese Allergie ist typisch für Menschen, die häufig mit demselben Allergieauslöser in Kontakt kommen und daher hohe Antikörperspiegel besitzen, die mit den Allergenen Immunkomplexe bilden. Der Nachweis erfolgt über Bluttests. Typische Beschwerden bei einer solchen Allergie sind, wenn sie durch Schimmel ausgelöst wird, Husten, Atemnot, Fieber, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen. Selbst Gefäßstörungen und Thrombosen lassen sich auf eine langanhaltende Kontamination der Atemluft mit Allergenen wie z.B. Schimmelpilzsporen zurückführen. Von einer Typ III-Allergie durch Schimmel sind insbesondere bestimmte Berufsgruppen betroffen. Bekannt sind u.a. die Farmerlunge, Bäckerlunge, Winzerlunge, Mälzerlunge, Fischmehllunge oder Vogelzüchterlunge.
Beim Allergietyp IV sind im Blut keine Antikörper nachweisbar, sondern zelluläre Botenstoffe. Typisch ist die verzögerte Reaktion, die Symptome treten erst nach 24 bis 72 Stunden nach Kontakt mit dem Allergen auf. Erfolgt eine Aktivierung permanent, wie das z.B. in Schimmelpilz-belasteten Wohnräumen oder in Form von Nahrungsmitteln geschieht, so kann das zu schweren Krankheitsbildern führen (Migräne, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Magen-Darm Beschwerden, Autoimmunerkrankungen, Neurodermitis, etc.).
Reizende Wirkungen
Reizende Wirkungen wurden bisher - fast ausschließlich - an belasteten Arbeitsplätzen mit hohen Schimmelpilzkonzentrationen nachgewiesen. Das Organic Dust Toxic Syndrom (ODTS) wird in diesem Zusammenhang ursächlichen mit dem Einatmen hoher Schimmelpilzkonzentrationen gebracht. Das Krankheitsbild äußert sich durch grippeartige Symptome, Fieber, Haut- und Schleimhautreizungen sowie Erschöpfungszustände innerhalb weniger Stunden nach Kontakt mit den Stoffen. Zum ODTS gehören das Drescher-, Getreide- bzw. Mühlenfieber. Unter dem Begriff Mucous Membrane Irritation (MMI) bezeichnet man weitere schleimhautreizende Krankheitsbilder, die ebenfalls nur auf belastete Arbeitsplätze zu übertragen sind und die sich nach mehrwöchiger Exposition mittlerer Schimmelpilzkonzentrationen entwickeln können.
Infektiöse Wirkungen (Mycosen)
Mycosen sind Erkrankungsformen, die durch direkten Kontakt mit Schimmelpilzen auf der Haut (epidermale Mycosen) oder der inneren Organe (Endo- oder Systemmycosen) entstehen. Mycosen kommen nur sehr selten und fast ausschließlich bei stark immungeschwächten Menschen (Krebs- oder HIV-Patienten) hauptsächlich im klinischen Bereich vor. Die am häufigsten beschriebene Mycose ist die durch Aspergillus-Arten (z.B. Aspergillus fumigatus, Aspergillus niger) hervorgerufene Aspergillose der Haut oder innerer Organe.
Schimmelpilze der Gattungen Rhizopus, Absidia und Mucor, die auf verschimmelnden Lebensmitteln, Früchten, Stroh und auf anderen vermodernden Pflanzen vorkommen, verursachen Mucormycose . Die Erreger gelangen über die Luft in die Lunge oder mit der Nahrung in den Magen-Darm-Trakt. Die Pilzfäden wachsen in die Arterien hinein und verursachen Thrombosen und Infarkte.
Geruchsbelästigung (MVOC)
Schimmelpilze können einen modrigen, faulen (oftmals auch erdigen, pilz-ähnlichen) Geruch, der die Lebensqualität beträchtlich beeinflussen kann, verursachen. Bei diesen riechbaren flüchtigen organischen Verbindungen (MVOC, Microbial Volatile Organic Compounds) handelt es sich um ein Gemisch von verschiedenen Stoffen wie Alkohole, Terpene, Ketone, Ester und Aldehyde. Bisher wurden etwa 30 solcher Verbindungen identifiziert, die von Schimmelpilzen und teilweise auch von Bakterien gebildet werden können. Die besten Indikatoren für einen mikrobiellen Befall sind 3-Methylfuran, Dimethyldisulfid, 1-Octen-3-ol, 3-Octanon und 3-Methyl-1-Butanol. Weniger spezifische Indikatoren sind Hexanon, Heptanon, 1-Butanol und Isobutanol, da diese auch aus Bauprodukten oder Farben ausgasen können. Einige Studien ergaben einen Zusammenhang zwischen MVOC-Exposition und gesundheitlichen Beschwerden, wie Schleimhautreizungen und Kopfschmerzen. Toxische Wirkungen der MVOC in Innenräumen sind aber nach heutigem Kenntnisstand nicht relevant. Insgesamt ist die gesundheitliche Bedeutung der MVOC aber noch nicht ausreichend erforscht. Die Bestimmung der MVOC gibt lediglich einen Hinweis, ob ein verdeckter mikrobieller Schaden vorliegt, welcher dann genauer lokalisiert werden muß.
Toxische Wirkungen (Mykotoxine)
Bestimmte Schimmelpilze, wie z.B. Stachybotrys atra, Aspergillus Arten, Penicillium Arten, Trichoderma, Paecilomyces können sehr potente Giftstoffe, so genannte Mykotoxine, produzieren. Hierbei handelt es sich um Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen sowie um die Zellwandbestandteile (Glukane), die hauptsächlich über die Nahrung in den menschlichen Körper gelangen und dann toxisch wirken können. Schimmelpilztoxine können auch durch Inhalation der begifteten Sporen in den Körper oder auf die haut gelangen. Sich daraus ergebende gesundheitliche Beeinträchtigungen und Störungen stellten sich unter anderem durch extreme Müdigkeit und schwere Wahrnehmungsstörungen dar. Fast alle Mykotoxine sind hitze- und säurestabil. Durch Laugung und starke Oxidationsmittel werden sie rasch inaktiviert. Manche, wie etwa die Aflatoxine, werden auch durch UV-Licht zerstört.
Wichtige Mykotoxine
Von den 16 bekannten Aflatoxinen werden vier (B1, B2, G1, G2) ausschließlich von Aspergillus flavus und Aspergillus parasiticus gebildet. Bereits geringe Mengen Aflatoxin B1, B2, G1, G2 sind gegenüber Warmblütern akut toxisch, mutagen, carcinogen und teratogen, wobei Aflatoxin B1 am häufigsten vorkommt und die höchste Toxizität besitzt. Über eine längere Zeit aufgenommen, entstehen bei vielen Tierarten und beim Menschen Tumoren, vor allem Leberzellkarzinome und Gallengangssarkome. Aflatoxine sind in einigen Lebensmitteln natürlich vorkommend. In der Aflatoxin-Verordnung vom 30.11.1976 sind in Deutschland als tolerierbarer Höchstwert für Aflatoxin B1 ein Wert von 5µg/kg Produkt festgelegt worden. Die häufigsten Aflatoxinträger sind Erdnüsse (bis 3000µg/kg), Paranüsse (bis 8000µg/kg), japanische Pistazien (bis 800µg/kg) und Mais aus warm-feuchten Gegenden (bis 10.000µg/kg).
Patulin wird hauptsächlich von Aspergillus- und Penicillium-Arten gebildet und ist ebenfalls ausgeprägt toxisch gegen Warmblüter. Es findet sich hauptsächlich an Gemüse und Obst, wobei an braunfaulen Äpfeln bis zu 50.000µg/kg Patulin isoliert wurden.
Ochratoxin A wird überwiegend von Penicillium viridicatum produziert und ist überwiegend in Getreide (bis zu 27 mg/kg kanadischer Weizen) gefunden worden. Weitere Mykotoxine, die von vielen Penicillium-Arten gebildet werden, sind Citrinin (Penicillium verrucosum), Gliotoxin (Aspergillus fumigatus), Kojisäure, Rubratoxin und Rugolosin. Entzündungsfördernde Eigenschaften besitzt 1,3-ß-D-Glucan, das Bestandteil der Zellwand von Pilzen ist.
Mykotoxine aus der Geschichte
Im Jahre 1922 wurde das Grab des ägyptischen Königs Tut-ench-Amun (1347 - 1339 v. Chr.) gefunden. Nach der Entdeckung dieses Grabes kamen etwa 30 Personen, die unmittelbar an der Freilegung oder Erforschung des über 3000 Jahre alten Grabes beteiligt waren, auf unerklärliche Weise ums Leben. Die Weltpresse schrieb vom "Fluch der Pharaonen", da es einerseits keine Erklärung für die mysteriösen Todesfälle gab, andererseits aber eine Hiroglyphenschrift in der Grabkammer war "Der Tod soll den mit seinen Schwingen erschlagen, der die Ruhe des Pharaos stört". Ähnliches wiederholte sich 1973 in der polnischen Stadt Krakau bei der Eröffnung der Gräber des Jagellionen-Königs Kazimierz (1492) und seiner Frau Elzbieta. Damals kamen 12 Personen unter rätselhaften Umständen um Leben. Die polnischen Wissenschaftler wollten sich jedoch mit einem Fluch nicht zufrieden geben. Es wurden weitere Untersuchungen durchgeführt und man fand neben bis dahin unbekannten Bakterien und Pilzen auch größere Mengen des Schimmelpilze Aspergillus flavus. Dieser Schimmelpilz enthält Aflatoxine. Diese Stoffgruppe war in den 60er Jahren identifiziert worden, als Grund für ein mysteriöses Sterben von 100 000 englischen Putenküken, die mit verschimmelten brasilianischen Erdnüssen gefüttert worden waren. Die polnischen Wissenschaftler stellten fest, daß das Aflatoxin jeweils die schwächsten oder für Krankheiten anfälligsten Organe des meschlichen Körpers angegriffen hatte. So war auch zu erklären, daß bei den vielen Opfern der Gräberuntersuchungen in Ägypten oder in Krakau von den Medizinern stets verschiedene Todesursachen diagnostiziert worden waren, beispielweise Nierenbluten, Herzversagen oder Krebs.