Chemische Schädlingsbekämpfung
Schädlinge lassen sich z.B. wie folgt einteilen:
- Materialschädlinge, die Holz, Leder, Papier, Textilien befallen
- Vorratsschädlinge, die Lebensmittel auffressen und ungenießbar machen
- Gesundheits- und Hygieneschädlinge, die Krankheitserreger übertragen oder Allergien hervorrufen
- Lästlinge, die für den Menschen nicht gefährlich sind, deren Anwesenheit jedoch als störend empfunden wird und die sogar Psychosen hervorrufen
Materialschädlinge (wie z.B. der Hausbock) sind Zielorganismen im Holzschutz (z.B. zum Schutz des konstruktiven Holzbaus) oder im Kulturgutschutz (in Museen, Archiven, Bibliotheken...).
Foto: Vom Hausbock zerfressene Kranzhölzer in einem Kirchturm; sie mußten bereits mit Klammern und Verschraubungen notgesichert werden
Gesundheits- und Hygieneschädlinge sind vor allem Tiere, die durch verschiedene Kontakte Krankheitserreger (Viren, Bakterien...) auf Menschen und Tiere übertragen können, wie Fliegen, Schaben, Ratten und Mäuse.
Überall wo Nahrungsmittel oder Vorräte gelagert oder verarbeitet werden treten Vorratsschädlinge auf:
- Bäckereien /Backbetriebe
- Getreide- und Kornspeicher
- Großküchen
- Kakao-Läger
- Lebensmittelproduzierende Betriebe
- Mühlen
- Naturprodukteverarbeitende Betriebe
- Silos
- Supermärkte
- Tabakläger
- Vorratsspeicher
Durch internationalen Warenverkehr werden alle ökonomisch relevanten Vorratsschädlinge weltweit verbreitet. Besonders Nahrungsmittelimporte aus den Tropen und Subtropen schleppen vorratsschädliche Insekten nach Europa ein. Schiffe und darauf transportierte Container sowie LKWs und Landtransportbehälter etc. sind die Vehikel, die die Schädlinge als „Blinde Passagiere" von einem Ort zum anderen transportieren. Mit den befallenen Lebensmitteln, die sich der Quarantänebegasung entziehen, gelangen die Schädlinge schließlich auch zum Endverbraucher.
Foto: Mehlmottenbefall in einer Kunstmühle
Wer kennt sie nicht? In der Küche herumfliegende Lebensmittelmotten-Falter (Dörrobstmotte), Rotbraune Reismehlkäfer in Großmühlen, Kornkäfer in Getreidelägern.
Aber erst wenn das Monitoring „Alarm auslöst" und die festgelegten Schwellenwerte gemäß der Integrierten Schädlingsbekämpfung (IPM) überschritten sind, dürfen/sollten/müssen chemische Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden. Dies sind:
- Insektizide, sie wirken meist gegen alle Stadien der Insekten
- Akarizide gegen Milben und andere Spinnentiere
- Rodentizide gegen Nagetiere
- Larvizide wirken besonders gegen die Larven von Insekten und Milben
- Ovizide wirken besonders gegen die Eier von Insekten und Milben
- Molluskizide gegen Weichtiere, insbesondere Schnecken
- Fungizide gegen Bauholzpilze (z.B. Schwammsperrmittel gegen Echten Hausschwamm) oder Schimmelpilze
Vor allem bei den Insektiziden unterscheidet man:
Fraßgifte:
Sie wirken nach oraler Aufnahme. Ihre Wirkung beabsichtigt nicht nur, dass der Köder, der das Gift enthält, vom Zielorganismus gefressen wird, sondern auch, dass dre vergiftete Köder, z. B. von Ameisen in deren Nest getragen und dort an die Königin und die Brut verfüttert wird, die dadurch auch vergiftet werden. Bevorzugt werden Wirkstoffe eingesetzt, die erst nach mehrfacher oder regelmäßiger Aufnahme tödlich wirken. Hierzu zählen Borsalze im Holzschutz: Sie wirken auf Insekten (und sogar gegen Pilze) als Fraßgift, aber nur langsam und nur dort, wo die Salze auch in das Holz eingedrungen sind. Die Larven (z.B. die des Hausbocks und „Holzwurms" = Gewöhnlichen Nagekäfers) fressen das Borsalz-getränkte Holz und nehmen sukzessive „Bor" auf, bis die tödliche intrakorporale Schwelle erreicht ist. Dann stirbt die Larve ab. Tiefer im Holzinneren fressende Larven, zu denen das Borprodukt nicht vorgedrungen ist, können aber zunächst in Einzelfällen noch ca. 2-3 Jahre überleben und sogar manchmal auch nach einer Behandlung aus dem Holz schlüpfen trotz der Passage der behandelten Wirkstoffzonen. Ein Neubefall durch die schlüpfenden Käfer ist aber bei flächiger Anwendung ausgeschlossen, da das „Bor" auch als Ovizid gegen neuabgelegte Insekteneier wirkt. Ein Ausschlüpfen von Käfern trotz „Borbehandlung" ist daher kein Mangel, denn der Befall stirbt im Laufe der Zeit sicher ab. Das Behandlungsziel ist erreicht.
Foto: Mottengespinste in einem Förderschacht einer Kunstmühle
Kontaktgifte:
Es wirkt meist schon über die Haut des Zielorganismuses, also dermal, aufgenommen. Bei den durch die Einschränkungen der Biozidrichtlinie/Pflanzenschutzgesetz wenigen übrig gebliebenen, zugelassenen Kontaktinsektiziden handelt es sich meist um Nervengifte. Sie werden von den Schadinsekten entweder über den Verdauungstrakt, die Atemöffnungen oder die Körperoberfläche (bei Insekten: Kutikula) aufgenommen.
Im Holzschutz sind zur Zeit vom DIBt (http://www.dibt.de) als bekämpfende Wirkstoffe z.B. Permethrin, Borverbindungen und Flufenoxuron zugelassen.
Im Vorratsschutz sind derzeit vom BVL (http://www.bvl.bund.de) z.B. die Wirkstoffe Pirimiphos-methyl, Pyrethrine und Deltamethrin zugelassen.
Deltamethrin ist wie Permethrin eine chemische Variante (Derivat) des Pyrethrums. Dieses Kontaktgift blockiert die spannungsabhängigen Natriumkanäle in den Nervenmembranen der Schadinsekten und ruft zunächst eine starke Erregung hervor. Kurz danach folgen Koordinationsstörungen, Lähmungen und schließlich der Tod der Insekten. Es ist zur Zeit gegen vorratsschädliche Insekten (Imagines und Larven, die sich außerhalb von Pflanzenerzeugnissen, z.B. Getreidekorn, befinden) bei der Umlagerung mit dem Förderband/Kaltnebeln zugelassen und zur Behandlung leerer Räume vor der Einlagerung von vorratslagerndem Getreide/ trockenen Hülsenfrüchten. Also zugelassen nur in sehr schmalen und genau definierten Anwendungsbereichen.
Foto: Vorbesprechung zur Kontaktinsektizid-Behandlung eines Lagers
Der Wirkstoff Pirimiphos-methyl (Handelsname Actellic 50) gehört zur Gruppe der organischen Phosphorsäureester. Pirimiphos-methyl ist bis zuletzt der einzige flüssig formulierte Wirkstoff, der zur direkten Behandlung von Getreide zugelassen ist. Die Substanz kann bei der Umlagerung mittels Förderband auf den Getreidestrom gesprüht werden. Pirimiphos-methyl tötet alle Entwicklungsstadien der Schadinsekten, vom Ei bis zur Imago, ab. Allerdings ist die Wirkung auf den Hauptschädling Kornkäfer (Sitophilus granarius), der sich nur innerhalb des Getreidekorns geschützt entwickelt, begrenzt. Zur vollständigen Befallstilgung wird hauptsächlich Phosphorwasserstoff während einer Begasung eingesetzt. Im Gegensatz zu gasförmigem Phosphorwasserstoff verleiht Pirimiphos-methyl der behandelten Ware während der Lagerung einen temporären und partiellen Schutz vor Neubefall.
Foto: Vermehrungsrate des Kornkäfers
Zu den Kontakt-wirksamen Präparaten gehört auch Kieselgur, das zur mechanischen Verletzung der Kutikula und zum Austrocknen der Schadinsekten führt.
Foto: Besprühung von Sockelleisten mit Kontaktinsektiziden
Atemgifte:
(Chemische) Stoffe, die eine schädigende Wirkung auf den Zielorgansismus bei Inhalation haben (Aufnahme über Atemwege/-trakte/Tracheensysteme...), wie die Begasungsmittel Sulfuryldifluorid (Profume) oder Phosphorwasserstoff bei einer Begasung.
Foto: Vorbereitungen zum Profume-Einsatz